Winterabend. Draußen ist das letzte Tageslicht unterwegs, Westwind treibt die wenigen Blätter des Herbstes über die Wiesen, drinnen im Hobbyraum ist es mollig warm, auch die Glühlampe mit dem feuerähnlichen Schein bringt ihr übriges zur heimeligen Atmosphäre. Ein paar Hecheln noch, die Spitze des Haken noch ein klein wenig nachgeschärft und schon kann die selbst gebundene Fliege in das spezielle Fach der Köderbox platziert werden, bis zum Mai, wenn es wieder heißt: Frühjahrssaison mit den Fliegen ist eröffnet. Schnell kam der Schnee, Weihnachten, Jahreswechsel, Fasnet und die Krokusse blühen, bald auch die Osterglocken und Kätzchen der Weiden, die locker um den Angelsee herum ihre Kätzchen treiben.
Die Fliegenrolle ist schon montiert, der Kescher, Maßband und andere erforderliche Utensilien sind parat an der Fliegenfischerweste montiert und los geht es. Schwung holen, nach vorn, nach hinten, die Schulter freut sich, das Handgelenk bleibt fest und los fliegt die Fliege auf das Wasser. Langsam wieder eingeholt, kein Biss, weiter geht es im Uhrzeigersinn. Auswerfen, einholen und wieder auswerfen, bis endlich ein Biss kommt. Nach etlichen Würfen ist es soweit. Ein heftiger Biss krümmt die Spitze der Fliegenrute. Pariert mit Gefühl werden die Fluchten des Fisches, bis er am Kescher ist. Neunzig Zentimeter lang, dunkel mit einem gelben Bauch, einem spitzen Kopf und einem langen Flossensaum. Ein Aal. Prachtstück. Noch lange bevor er im Kescher ist, reißt das Vorfach direkt am Öhr der selbst gebundenen Fliege. Der Aal verschwindet wieder im Wasser, ohne sich sichtbar noch einmal umzuwenden. Es geht auf 19 Uhr zu, die Lust ist für heute rum, der See wurde mehrfach umrundet, morgen ist auch wieder ein Angeltag, übermorgen auch. Übermorgen geht es wieder auf Tour. Heute ist übermorgen. Selber See, selbes Equipment. Einziger Unterschied: heute beißen die Fische, es ist windig. Jetzt ist schon der dritte Fisch im Korb am Gürtel, als sich die Fliegenrute wieder extrem spannt. Gut dass es ein amerikanisches Modell ist, handgefertigt und die double-tape-Schnur neu aufgelegt. Das Material ist stabil, heute reißt nichts. Hoffentlich. Die letzten Gedanken dauern keine Sekunde, die Schnur wird eingeholt, wieder kommt ein Flossensaum zum Vorschein. Zügig zugepackt, der Aal windet sich schleimig um den behaarten Arm, versucht zu entkommen, doch der Griff ist hart, keine Möglichkeit zu entkommen. Wunderlich sieht das Spitzmaul doch aus. Eine Fliege hängt links, mit der Rute über die Schnur verbunden, auf der rechten Seite hängt noch eine Fliege. Eine alte Bekannte. Die von Vorgestern. Zügig sind beide Haken entfernt und der Flossensaum wird unter Wasser getaucht, der Griff gelockert, mit schlängelnden Bewegungen blitzt der gelbe Bauch kurz auf, der Schatten verschwindet im Wurzelwerk der Erle. Kopfschüttelnd besieht sich der Fischer die beiden Fliegen. Eindeutig seine eigenen zwei. Die eine ohne Ausflug, die andere stark angerostet, aber dennoch eindeutig die selbst gebundene aus dem vergangenen Dezember. Beißt erneut. Dummer Aal? Oder doch ein Schlauer?