Lange wurde mit den alten, starren und schweren Bollen von Ruten geübt und Schulterkraft aufgebaut, ebenso wie die Schnelligkeit der Armstrecker-Muskeln. Beides muss und soll harmonieren, ästhetisch aussehen. Nicht nur beim Casting auf dem Rasen, nein, auch beim Blinkern am mit Schilf umwachsenen Baggersee. Nur fünf Hektar sind für die Angler, die anderen fünfundzwanzig Hektar gehören der Natur. Blässhühner, Rallen, Teichrohrsänger, Frösche, Seerosen, Krautlaicher, Hechte und Karpfen fühlen sich wohl in der Nachbarschaft mit den Schwänen und Stockenten zu leben. Die Enten sind am zutraulichsten, wagen sich dicht an die Spaziergänger und Angler heran. Die neue Rute wird heute eingeweiht. Frisch bekommen von dem großen Versandhändler aus dem Norden des Bundeslandes. Wie schon manch eine vorher und wohl auch folgend. Ausgepackt, zusammengesteckt und draußen ein paar Windschläge vollführt. „Huih! Das Zischt! Wie muss das erst mit Blinker und Schnur surren?“ Die Vorfreude steigt, Wathose, Kescher, Kühlbox. Und die Raubfisch-Box stehen schon im Auto, die Frau fährt die Einfahrt hoch, ein schnelles Begrüßungsküsschen, das auch gleich für den Abschied gilt. Es ist Freitag, sechzehn Uhr. Noch lange hell, ein paar Meter See zu befischen, mit der neuen Rute. Die Rolle angeschraubt, die Schnur durch die Ringe gefädelt, den Wirbel mit dem Blutknoten an geknotet und das Stahlvorfach für den Blinker mit Drilling eingehängt. So geht es die paar hundert Meter zum See. An Ausrüstung alles das, was beim Blinkern zu tragen ist, mehr nicht. Stolz auf die neue Rute, gespannt wie eine Rute, die einer Normal-Parabel aus der Mathematik gleicht. Der Blinker wird gelöst, die Korken abgenommen und der Blinker macht seinem Namen alle Ehre. Er glitzert im spätsommerlichen Sonnenlicht wie eine Discokugel bei Nacht. Begonnen wird am Anfang des Angel-Ufers, da wo das Schilf endet, in dem gewöhnlich die Stockenten brüten, allen anderen Vögeln ist zu viel Störung. Und doch ist heute etwas anders als sonst. Ist es der Wind? Der beginnende Herbst? Der Angler zuckt mit den Schultern, schaut einer springenden Forelle nach, holt Schwung, lässt den neuen Blank durch die Luft sausen und erschrickt. Der Blinker fällt ihm direkt auf den Kopf, er schüttelt ihn ab, schaut nach oben und Federn fallen auf das verdatterte Gesicht. Hat er einen Engel getroffen? Der Stockenten-Erpel schreit zeter und mordio. Er war es, den der Blinker traf, den Flug stoppte und den Blinker mit Drilling auf den Angler warf. Gleiches mit gleichem.